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Kampagne: Freiheit für die Taksim-Gefangenen

Welche Ziele hat die Kampagne: Freiheit für die Taksim-Gefangenen

 

Wir haben diese Kampagne gestartet, um uns mit den Personen und Organisationen solidarisch zu zeigen, welche der ungerechten und unrechtsmäßigen Praxis des türkischen Staates ausgesetzt waren. Unser Ziel ist aufzuklären über die Unterdrückung und Gewalt des türkischen Staates gegenüber der Volksbewegung und die internationale Solidarität mit den Verhafteten zu stärken.

 

Wir wollen durch die Kampagne den Druck auf die Türkei erhöhen, um die Freiheit der Gefangenen von Taksim zu gewährleisten, die in Grunde genommen nur inhaftiert wurden, weil sie von ihrem Recht auf frei Meinungsäußerung und demokratischen Protest gebrauch gemacht haben.

 

Wir wollen den Gefangenen zeigen, dass sie nicht alleine sind. Deswegen würden wir uns freuen, wenn sich fortschrittliche Menschen und Organisationen in Europa bereit erklären würden, als unabhängige Berichterstatter oder Beobachter den Gerichtsverfahren beizuwohnen.

 

Für die Gefangenen ist es äußerst wichtig, wenn Menschen aus anderen Ländern ihnen Solidaritätsbriefe zusenden. Deswegen haben wir am Ende dieser Pressemappe alle Postadressen der Taksim-Gefangenen hinzugefügt. Die Gefangenen freuen sich über jede Postkarte oder Brief. Sie haben auch die Möglichkeit, Solidaritätserklärungen an uns zu schicken, die wir übersetzt an die Gefangenen senden und auch veröffentlichen würden.

 

Durch die Verfahren entstehen auch enorme Kosten, die durch die Solidaritätsarbeit in Europa abgemildert werden könnten. Jede Art von Solidarität ist wichtig und hat eine enorme Wirkung sowohl gegenüber den diktatorischen und freiheitsfeindlichen Verhalten des türkischen Staates, als auch für die Moral der Gefangenen.

 

Die Familien der Gefangenen sind gezwungen, viel Arbeit für die Freiheit ihrer Angehörigen zu verrichten. Auch sie brauchen finanzielle und politische Unterstützung.

 

Viele Utensilien und technische Geräte der alternativen Nachrichtenagenturen und Zeitungen wurden mit der Stürmung ihrer Büroräume zerstört oder beschlagnahmt. Wir möchten mit der Kampagne auch diesen Institutionen finanziell oder mit technische Mitteln, wie PCs, Laptops, Fotoapparate etc., helfen, damit sie ihre Arbeit in gleicher Form wieder verrichten können.

Wir sind auf jede Hilfe in Rahmen der Kampagne für die Freiheit der Taksim-Gefangenen angewiesen. Deswegen würden wir uns freuen, wenn sie uns finanziell, politisch oder durch Ihr Präsens während der Verfahren unterstützen würden. Dies ist wichtig für die Taksim-Gefangenen, deren Angehörigen und den Institutionen, die durch die Gewalt der Polizei technisch und finanziell mit vielen Schwierigkeiten kämpfen müssen.

 

Wie alles begann…

 

Umweltaktivisten hatten im Gezi-Park einen Protestkamp errichtet, um gegen die Zerstörung von Grünflächen für die Interessen von profitgierigen Großunternehmen zu demonstrieren. In der Nacht vom 31. Mai auf dem 1. Juni wurde der Protestkamp mit äußerster Brutalität von der Polizei geräumt. Das harte Vorgehen der türkischen Polizei gegen UmweltaktivistInnen, ist zum Auslöser von landesweiten Protesten gegen die fundamentalistische-reaktionäre Politik des

türkischen Regimes geworden. Die einfachen Leute auf der Straße haben es satt, kulturellen, sozialen und ökologische Flächen, die bis jetzt Eigentum der Gesamtgesellschaft waren, an profitgierige Großunternehmen zu verlieren. Sie wollen nicht mehr aus dem Stadtkern rausgedrängt werden. Sie wollen an den politischen, kulturellen und gesamtgesellschaftlichen Gütern teilhaben.

 

Die Menschen in der Türkei fordern ihre Freiheiten zurück!

 

Der Widerstand der Istanbuler Bevölkerung am Taksim-Platz weitete sich aus und erreichte das ganze Land. Millionen von Menschen gingen in 76 Städten auf die Straße. Den Menschen in der Türkei wurde bewusst, dass sie jahrelang in Aleviten-Sunniten, Kurden-Türken, Homosexuelle, Armenier und Griechen gespalten wurden. Mit dem Volksbegehren schlugen sie eine Brücke der Brüderlichkeit. und forderten ihre Freiheiten und Rechte zurück, die sie während der AKP-Herrschaft verloren haben. Denn die AKP-Regierung terrorisiert breite Teile der Gesellschaft und meint, mit einem Stimmanteil von 50 % bei den letzten Wahlen könne sie tun und lassen was sie möchte. Durch unzählige Gesetzte und Verordnungen des AKP-Regimes wurden jahrelang das Privatleben und die Persönlichkeitsrechte beschnitten. Durch die religiös-fundamentalistische Politik der Geschlechtertrennung werden den Frauen ihre Grundrechte aberkannt. Jüngstes Beispiel für die Diskriminierung von anderen Ethnien und Glaubensrichtungen ist die Namensgebung der 3. Istanbuler Kontinentalbrücke nach einem osmanischen Massenmörder (Yavuz Sultan Selim), der ca. 40.000 Aleviten ermordet hat. Der Verkauf von 500 Staatsbetrieben an regierungsnahe, fundamentalistische Gefolgsleute hat zu weiterer Empörung beigetragen. Der jetzige Verkauf des Gezi-Parks war der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat.

 

Der Staat versuchte das Begehren des Volkes zu unterdrücken…

 

Wochenlang griffen ca. 300.000 Polizisten die friedlichen DemonstrantInnen mit Pfefferspray, Nervengas, Plastikgeschossen, Druckwasser und scharfe Munition an. Bis jetzt sind 5 Demonstranten getötet worden. Mindestens 11 Demonstranten haben ihr Augenlicht verloren, weil Polizisten gezielt mit Gasgranaten auf die Köpfe der Demonstranten schießen. Viele schweben in Lebensgefahr. Die bisherige Gesamtzahl der verletzten während der Polizeiangriffe wird rund 10.000 geschätzt.

 

Die Angriffe der Polizei beschränken sich jedoch nicht nur auf die Gewalt auf dem Taksim-Platz. Festgenommenen Frauen wurden sexueller Gewalt ausgesetzt und mit Vergewaltigung angedroht.

 

Sogar Abgeordnete wurden während des Taksim-Widerstands aufgrund von Tränengas und Polizeigewalt verletzt und mussten in Krankenhäusern behandelt werden. Unter ihnen waren zum Beispiel Sırrı Süreyya Önder, Abgeordneter der BDP und Abgeordnete der CHP.

 

Besonders Frauen waren sexueller Gewalt ausgesetzt!

 

Besonders Frauen und Transsexuelle wurden sexueller Gewalt ausgesetzt, indem sie auf den Polizeiwachen und in Polizeiwagen gezwungen wurden, sich nackt zu zeigen, um durchsucht werden zu können, und es wurde mit Vergewaltigung gedroht. Die Ähnlichkeit der Übergriffe und das Ausmaß deuten darauf hin, dass sexuelle Gewaltdelikte systematisch von den Polizeikräften ausgeführt wurden.

 

Hier eine kurze Auflistung der sexuellen Übergriffe gegen Frauen:

· Sieben Frauen, die am 31. Mai festgenommen wurden, wurden auf der Polizeistation nackt ausgezogen und völlig unrechtmäßig und willkürlich einer Leibesvisitation ausgesetzt.

· Die ins Gefängnis von Sakran bei Izmir

geworfenen Frauen erklärten ebenfalls, dass sie nackt durchsucht worden sind.

· In Ankara teilte eine Frau namens Eylem der Öffentlichkeit mit, dass sie in einen Panzer gesetzt, drei Stunden willkürlich festgehalten und sexuell belästigt wurde.

· D.E., die bei den Protesten in Ankara verhaftet wurde, erzählte einem Journalisten von sexuellen Übergriffen und sagte dabei, dass die Gewalt gegenüber Frauen und Männern unterschiedlich sei, dass Frauen sowohl

geschlagen als auch sexuell belästigt werden und somit zweifach Gewalt erleben.

· Eine Frau namens Deniz verbreitete auf Facebook die Schimpfwörter, der sie ausgesetzt war: Nutte, Terroristin, Hure, Vaterlandsverräterin…Und jede Menge Androhungen, vergewaltigt zu werden.

· Die Journalistin Arzu Demir, welche für die Nachrichtenagenturen ETHA und ANF arbeitet, sowie Derya Okatan, die Leiterin des Nachrichtenabteilung der ETHA, wurden am 18. Juni in ihren Wohnungen morgens zu Hause festgenommen und einer nackten Leibesvisitation ausgesetzt.

 

Wenn mordende Polizisten „Heldentaten“ vollbringen…?

 

Tayyip Erdogan sagte am Montag, den 24.06.2013 bei seiner Rede in der Polizeiakademie: "Unsere Polizei hat in Rahmen ihrer Befehle und Befugnisse ihre Aufgaben hervorragend gemeistert. Unsere Polizei hat regelrechte Heldentaten vollbracht“. Nach dieser Aussage verwundert es nicht, dass der Polizist Ahmet Sahbaz, der den Demonstranten Ethem Sarısülük regelrecht auf offener Straße hingerichtet hatte, bereits nach dem ersten Verhandlungstag auf freien Fuß gesetzt wurde.

 

Während mordende Polizisten keinen Tag im Gefängnis sitzen müssen, sind bereits 104 Demonstranten, davon etwa die Hälfte von der ESP in Isolationsgefängnissen. Die Zahl der Gezi-Taksim Gefangenen steigt ständig, weil die Verhaftungswelle der türkischen Polizei weitergeht.

 

Erdogan führt Krieg gegen die eigene Bevölkerung

 

Obwohl Millionen von Menschen auf die Straße gingen und eine Veränderung der Verhältnisse forderten, setzte Erdogan seine autoritäre Politik fort. Er sagte, er müsse für seine Projekte nicht „einige Marodeure um Erlaubnis fragen“. Er bezeichnete soziale Medien, wie

Twitter als größte Bedrohung für die Gesellschaft. Er versuchte nicht zu deeskalieren und drohte mit der Aussage: „Er könne die 50 %, die ihn gewählt haben nur noch schwer in den Häusern halten.“. Um seine Anhängerschaft aufzuhetzen behauptete er, dass die Demonstranten, die vor Plastikgeschossen, Gasgranaten und Wasserwerfern in die Dolmabahce-Moschee geflohen waren, Alkohol getrunken hätten und mit Schuhen die Moschee besudelt hätten.

 

Woher kommt die Wut der Bevölkerung?

 

Der Staat hatte Aleviten, Kurden, Sozialisten, Mitglieder der LGBT (Vereinigung der gleichgeschlechtlichen Menschen), Armenier, und andere religiöse Gruppen und Minderheiten in der Türkei mit Gewalt ausgegrenzt und ihnen die Identität geraubt. Die andersdenkenden wurden als marginalisierte Terroristen, Marodeure oder Provokateure diffamiert. die Viele, die ihre Meinung gesagt haben wurden verhaftet. Deswegen verwundert es nicht, dass es mehr als 10.000 politische Gefangene in den türkischen Isolationsgefängnissen einsitzen.

 

Menschenrechtsverletzungen wie die, Massaker in Robotski und Reyhanli, Verschwindenlassen unter Haft, Folter und Verbote in alltäglichen Leben haben für viel Frust gesorgt. Da die Unzufriedenheit dieser Gesellschaftsschichten gegenüber der Regierung von Tag zu Tag wächst, wurden die Bedingungen für solch einen gesellschaftlichen Ausbruch geschaffen.

Seit mehr als 30 Jahren wurde das türkische Volk rassistisch und chauvinistisch erzogen und vergiftet. In allen öffentlichen Einrichtungen werden religiöse und nationale Minderheiten ausgegrenzt. Immer wieder wurden bürgerliche Medien zu Treffen des Nationalen Sicherheitsrates und des Staatspräsidenten zitiert, um gleichgeschaltet zu werden.

 

Systemkritische Medien werden systematisch unterdrückt und mit harten

Strafen belegt. Auch der aktuelle Fortschrittsbericht der Europäischen Union und einige Nichtregierungsorganisationen kritisieren Verletzungen der Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei. Im "weltgrößten Gefängnis für Journalisten", wie das in New York ansässige "Committee to Protect Journalists" das Land bezeichnet, sind zurzeit mehr als 100 Journalisten inhaftiert – die meisten wegen ihrer Arbeit.

 

Der Staat rächt sich an den kritischen Medien!

 

Mit den Beginn der Proteste wurden kritische Medien, die das Medienembargo der AKP-Regierung durchbrachen und der Gleichschaltung trotzten, der Repression der staatlichen Behörden ausgesetzt.

 

Die Räumlichkeiten folgender Institutionen wurden durchsucht und verwüstet:

· ESP (Sozialistische Partei der Unterdrückten),

· Wochenzeitung Atilim,

· Radiosenders Özgür Radyo

· Nachrichtenagentur Etkin Ajans

· Sozialistischen Jugendverein

· SDP (Sozialistische Revolutionspartei)

· Halk Evleri (Volkshäuser)

 

Gleich nach brutaler Aufräumung von Taksim Platz begann die Polizei mit Verhaftungswellen an. Bereits am 18. Juni wurden in vielen Städten zeitgleich die Parteibüros der ESP und dutzende Wohnungen der Funktionäre dieser Partei gestürmt und dutzende Frauen und Männer festgenommen. Die größte Gruppe der Taksim Gefangenen besteht aus Funktionären und AktivistInnen dieser Partei. Dabei brach die Polizei einfach die Türen der Parteigebäude, der Zeitungsbüros und des Radiosenders auf, verwüstete alle Räume und beschlagnahmte oder zerstörte jegliche technischen Geräte. Fast Hundert Sozialisten, Journalisten und Gewerkschafter wurden verhaftet und ins Gefängnis gesteckt.

 

In der Türkei gibt es keine Aktions- und Meinungsfreiheit. Aktionen werden durch die Polizei brutal angegriffen. Selbst Aktionen der BDP, die eine Fraktion im Parlament hat, wurden mit Tränengas angegriffen. Kann solch eine Staatsherrschaft als demokratisch bezeichnet werden?

 

In diesem Sinne ist die

Unterstützung jedes Kampfes für demokratische Rechte und Forderungen gerecht und legitim. Das Image von einer „demokratischen“ Türkei, das der europäischen Bevölkerung stets proklamiert wurde, wurde mit den Ereignissen der jüngsten Vergangenheit entblößt. Es ist daher unsere Aufgabe, die Weltöffentlichkeit über die aggressive Politik der AKP und Erdogan zu informieren, die Wahrheit ans Licht zu bringen und die Solidarität mit den Protestierenden am Taksim-Platz zu stärken.

 

Welche Forderungen haben die Protestierenden?

 

· Gezi-Park muss ein Park bleiben. Schluss mit der Vernichtung des natürlichen Lebensraumes!

· Die Verantwortlichen des brutalen Einsatzes der Polizei müssen entlassen und zur Verantwortung bezogen werden. Jene Polizisten, die bei den Auseinandersetzungen gemordet haben, müssen verurteilt werden.

· Die Meinungs-, Aktions- und Organisationsfreiheit von Millionen von Menschen muss respektiert werden.

· Widerstand zu leisten gegen Repression und Unterdrückung ist ein Recht.

· Der Staatsterror und die Gewalt gegen jene Menschen, die für ihre demokratischen Rechte kämpfen, müssen sofort ein Ende finden und alle Gefangenen müssen sofort freigelassen werden.

 

Von dem türkischen Ärzteverband veröffentlichte Fakten:

Zwischen dem 31. Mai und dem 27. Juni wurden aufgrund des Polizeiterrors 8041 Menschen in 13 Städten verletzt.

 

Folgende Verletzungen wurden aufgrund des Einsatzes von Tränengas festgestellt: äußerliche Verbrennungen, Brandwunden, Atembeschwerden, Asthmaanfälle, epileptische Anfälle, Muskel- uns Skelettverletzungen aufgrund von Pfeffergaskapseln, Plastikgeschossen und Schlägen (Verletzungen des weichen Gewebes, Schnittwunden, Brandwunden, Folgeerscheinungen von einfachen Brüchen, die zu offenem Bruch/ geschlossenem Bruch führen), Schädelhirntrauma. Aufgrund der eingesetzten Plastikgeschosse wurden Sehprobleme, die bis zu Sehverlust führten, und Verletzungen der inneren Organe festgestellt.

 

5 Menschen wurden ermordet.

 

Der 21-jährige Mehmet Ayvalıtaş starb, als am 2. Juni 2013 ein Auto in die Menge der Protestierenden im Istanbuler Bezirk Ümraniye raste.

 

Der 22-jährige Abdullah Cömert starb am 3. Juni 2013 im Landkreis Antakya, Hatay, als er sich an Protesten gegen die Bebauung des Taksim-Platzes beteiligte. Im Autopsiebericht wurden zwei Schläge auf den Kopf als Todesursache festgehalten.

 

Der Polizeichef Mehmet Sarı fiel am 5. Juni von einer Brücke in Adana und wurde schwerverletzt in ein Krankenhaus eingeliefert. Er erlag seinen Verletzungen.

 

Kameraaufzeichungen zufolge wurde Mehmet Ethem Sarısülük (26) am 1. Juni von einer Polizeikugel schwer verletzt und erlag seinen Verletzungen. Der Autopsiebericht bestätigte dies.

 

Ali İsmail Korkmaz starb am 10. Juli, nachdem er als Folge von Schlägen auf seinen Kopf eine Gehirnblutung erlitt.

 

· Es gibt 60 Schwerverletzte. In Istanbul ist die Situation eines Schwerverletzten kritisch. 103 Personen hatten ein Schädelhirntrauma. 11 Personen sind blind geworden. Einer Person wurde die Milz entfernt.

 

· Irfan Tuna (47), der als Putzmann in einer Nachhilfeschule in der Nähe des zentralen Kizilay-Platz in Ankara arbeitete, wurde am 5. Juni nach einem Tränengaseinsatz der Polizei gegen die Protestierenden so krank, dass er ins Krankenhaus gebracht wurde und dort an einem Herzinfarkt verstarb. Ob sein Tod eine Folge des Einsatzes des Tränengases war, wird der Bericht der Gerichtsmedizin zeigen.

 

· In der Nacht zum 2. Juni wurden die Lazarette in den Institutionen Mülkiyeliler Birliği und im Nazım Hikmet Kulturzentrum in Ankara mit Tränengas angegriffen, obwohl sich dort Verletzte und Ärzte aufhielten

 

· Das Lazarett am Gezi-Park, in dem sich zahlreiche Verletzte befanden, wurde am 12. Juni gegen 3 Uhr nachts mit 5 Tränengaseinsätzen angegriffen. In der Nacht zum 22. Juni wurde das Lazarett im Gebäude der Architektenkammer TMMOB mit Tränengas angegriffen.

Presseerklärungen von Parteien, Presseorganen und Institutionen, die von staatlicher

 

Repression betroffen waren:

 

Sozialistische Partei der Unterdrückten (ESP): Die AKP wollte sich rächen. Nach dem sich die Proteste im Taksim-Gezi-Park zu einem Türkeiweitem Volksbegehren ausgeweitet hat, ordnete der türkische Staatspräsident Tayyip Erdogan eine Verhaftungswelle gegen Andersdenkende an. Nach Taksim und Gezi fanden zuerst Verhaftungen in anderen Gouvernements statt, dann wurden die Räume unserer Partei und Wohnungen unserer Parteimitglieder und Aktivisten in Istanbul und Türkeiweit durchsucht. Auch Büros und Wohnungen von andersdenkenden Journalisten, die unserer Partei nahestehen wurden durchsucht.

 

Diese Verhaftungswelle zeigt nur, dass die AKP gegenüber dem Volksbegehren nicht anders reagiert als mit Einschüchterungsversuchen. Das Volk ist für seine Freiheit und wegen seinem Streben nach Demokratie auf die Straße gegangen. Der Staat antwortet nicht mit Zugeständnissen, sondern mit racheähnlichem Terror gegen Sozialisten und Revolutionäre. Unsere Partei wurde auch in der Vergangenheit von der Polizei aus fadenscheinigen Gründen durchsucht. Aber jedes Mal haben wir uns mit Erfolg zu Wehr gesetzt und die Lügen aufgedeckt.

 

Arzu Demir für die Nachrichtenagentur „Etkin Haber Ajansi“ (ETHA): Demonstrationen auf dem Taksimplatz werden seit dem 1. Mai untersagt. Aber dieses Verbot wurde durch die entschlossene Haltung der Bevölkerung aufgehoben. ETHA hat über diese Entwicklung berichtet und wurde deswegen zur Zielscheibe.

 

Die Rechtsanwältin Gülizar Tuncer: Der Taksimplatz wird seit dem 1. Mai für Aktionen der Werktätigen verboten. Durch die direkte Anordnung des Staatspräsidenten wurde während der Gezipark-Aktionen die Bevölkerung maßlos angegriffen. Während dieser Zeit wurde erneut durch die direkte Anordnung des Staatspräsidenten die Büros von dem Nachrichtenportals ETHA, der Zeitung Atilim, des Radiosenders „Özgür Radyo“ und die Wohnungen von Mitarbeiter anderen kritischen Institutionen durchsucht, viele kritische Berichterstatter wurden verhaftet.

 

Derya Okatan, Verantwortliche Redakteurin von ETHA: Die AKP wollte Rache wegen den Volksbegehren auf dem Taksimplatz. Deswegen wurden unter der Begründung eines “Polizeieinsatzes gegen die MLKP” in Istanbul die Büros der ESP und ETHA durchsucht. Die Agentur Günes, die das Layout von der Zeitung Atilim macht, der Radiosender Özgür Radio und die Wohnungen der Mitarbeiter wurden durchsucht. Während der Durchsuchungen wurden in Istanbul und Ankara 68 Personen in Untersuchungshaft genommen. Zwei Personen, die während der Unruhen auf dem Taksimplazt verletzt wurden, kamen kurze Zeit später wieder frei. Während der Durchsuchungen hat uns die Polizei ständig beleidigt und bedroht. Ich und Arzu Demir mussten uns während der Durchsuchung entkleiden. Bei den Durchsuchungen wurden unsere Festplatten, Aufnahmegeräte, Presseausweise, unsere Gasmasken die wir während unseren Recherchen benutzen, unsere Geldbörsen und Kreditkarten, offizielle Dokumente, Notizhefte beschlagnahmt und das Büro verwüstet. Sogar die Schürzen in der Küche wurden als mögliche Beweismittel beschlagnahmt.

Nadiye Gürbüz als Verantwortliche Redakteurin für den Nachrichtenfluss bei Özgür Radyo: Wir gehören zu der systemkritischen Berichterstattern und berichten über die Sorgen der einfachen Menschen. Während der Demonstrationen auf dem Gezi-Park haben wir die Bevölkerung über die Ereignisse informiert. Deswegen wurden wir zur Zielscheibe staatlicher Repression. Wir verurteilen dies.

 

Die Föderation der Sozialistischen Jugend Vereine (SGDF): Gegenüber der Entschlossenheit der einfachen Menschen auf der Straße werden alle Vorhaben der Herrschenden keinen Erfolg haben. Die Menschen organisieren sich immer mehr und wehren sich.

 

Solidaritätserklärungen mit den betroffenen Institutionen:

 

DTK (Demokratischer Gesellschaftskongress): Die Übergriffe gegen die ESP verstehen wir als Übergriffe gegen alle demokratischen Kräfte. Wir verurteilen diese Haltung der AKP-Regierung und fordern die Polizei auf, mit der Gewalt und der Verhaftungswelle aufzuhören und die inhaftierten Oppositionellen freizulassen. Wir begrüßen in diesem Zusammenhang auch den Aufstand im Gezi-Park als einen großen Schritt in Richtung gesellschaftlichen Demokratisierung.

 

Progressiver Journalistenverband (ÇHD): Die Aktionen begannen im Gezi Park und weiteten sich in der ganzen Türkei mit der Forderung nach mehr “Freiheit” aus. Die Regierung antwortete mit ihrer Politik der Unterdrückung und griff zuerst die alternativen Medien an. Mindestens 8 Journalisten befanden sich in der Untersuchungshaft, noch mehr Journalisten haben Polizeigewalt erlebt. Legale Parteien die sich an den Aktionen in Gezi beteiligten, wurden zu “illegalen” erklärt, um die Bevölkerung mit diesen Lügen zu beeinflussen. Diese Bestrebungen gipfelten in der Verhaftungswelle gegen Özgür Radio, ETHA und der Zeitung Atilim. Auch die Wohnung des Nachrichten-Koordinators Sedat Senoglu wurde durchsucht. Nachdem die Wohnung der Özgür Radyo-Mitarbeiterin Selvi Cosar durchsucht wurde, kam sie in Untersuchungshaft.

 

Der demokratische Kongress der Völker (HDK): Diese Haus- und Bürodurchsuchungen und Inhaftierungen sind “Rache”-Aktionen. Wir fordern die Verantwortlichen auf, die Inhaftierungen und Hausdurchsuchungen zu beenden. Sie sollen endlich aufhören, innere Feinde zu erzeugen. Durch Unterdrückung, Gewalt und Verhaftungen könnt ihr die Forderungen nach elementare Menschenrechten nicht beseitigen. Ihr seid mit großen Gerätschaften in den Gezi-Park gegangen, um dort die Natur zu zerstören. Hört endlich auf Rachegelüste gegen die Menschen zu hegen, die sich gegen diesen Vorhaben zu Wehr gesetzt haben. Nachdem ihr die Menschen angegriffen habt behauptetet ihr, neue Bäume und Pflanzen in den Gezi-Park pflanzen zu wollen. Ihr versucht die rohe Gewalt damit zu übertünchen. Dies alles zeigt nur, wie recht wir haben und wie gerechtfertigt unsere Forderungen sind.

 

Menschenrechtsverein IHD: Die politische Führung behauptet, seine „Polizei schützen zu wollen“, in dem sie Folter und Misshandlungen dafür billigend in Kauf nimmt. Es muss Schluss gemacht werden mit solchen Aussagen und der Straffreiheit von gewalttätigen Polizisten und ihren verantwortlichen Vorgesetzten durch den Beginn von Verfahren gegen sie ein Ende gesetzt werden.

 

Erklärungen von internationalen Institutionen

 

Amnesty International (Andrew Gardner, Türkei-Experte von Amnesty: Im Zusammenhang mit der gewaltsamen Räumung des Taksim-Platzes und des Gezi-Parks in Istanbul sollen in den vergangenen Tagen Hunderte von Personen verhaftet worden sein. Die türkische Anwaltsvereinigung verfügt über die Namen von mindestens 70 Verhafteten, von denen seither jede Spur fehlt. Die türkischen Behörden weigern sich bisher, Auskunft darüber zu geben, wo die Betreffenden in Haft gehalten werden. Amnesty befürchtet Folter und Misshandlung in Haft und Polizeigewahrsam. Die türkische Ärztekammer berichtet derzeit von 7.600 verletzten Personen. Unterdessen geht der Widerstand weiter: Viele Menschen drücken dies aus, indem sie in der Öffentlichkeit reglos stehenbleiben.

 

Besonders Besorgnis erregend ist, dass auch Journalisten, Rechtsanwälte, Nutzer sozialer Medien und Ärzte, die Verletzte in Notzentren (Hotels, Büros) medizinisch versorgen, verhaftet worden sind und strafrechtlich verfolgt werden sollen.

 

RSF: In der Türkei sind seit Beginn der Gezi Park-Proteste mindestens 14 Medienmitarbeiter von Sicherheitskräften verletzt worden. Wir verurteilen dieses brutale Vorgehen aufs Schärfste! Die Sicherheit von Journalisten, die über die Proteste berichten, muss gewährlistet werden. Außerdem fordern wir, dass auch die regierungsnahen Medien im Land frei und unabhängig über die Ereignisse berichten sollen. Zahlreiche einflussreiche Tageszeitungen und TV-Kanäle hatten nach Beginn der Demonstrationen gar nicht oder nur verzerrt über die Aufstände informiert.

 

Die Menschenrechtskommissarin der UN, Navi Pillay: Die Auseinandersetzungen zwischen der türkischen Polizei und den Protestierenden ist besorgniserregend. Wir fordern die Verurteilung der Sicherheitskräfte und ihrer Verantwortlichen für die unverhältnismäßige Gewalt.

 

Journalistenverband Europa (EFJ): Wir verurteilen die Durchsuchungen der Wohnungen von Mitarbeitern der Zeitung Atilim, Özgür Radio und der Nachrichtenagentur Etha am 18. Juni und die anschließende Repressionen gegen die Journalisten und Nachrichtenorgane.

Europäische Gewerkschaftskonföderaton (ETUC): Wir sind tiefst besorgt über die autoritäre Haltung der türkischen Regierung gegenüber friedlichen Protest-und Streikaufrufen der Gewerkschaften. Die stark autoritäre Haltung der türkischen Regierung gegenüber den gerechtfertigten Forderungen der Bevölkerung ist besorgniserregend.

 

Brief von der englischen Journalistengewerkschaft an David Cameron: Wir bitten sie, den türkischen Staatspräsidenten Tayyip Erdogan zu übermitteln, dass durch europäische und internationale Gesetzte garantierte Rechte der Journalisten respektiert werden müssen. Auch durch den § 26 und § 34 werden die Aussagefreiheit und friedliche Proteste von türkischen Bürgern garantiert. Die türkische Regierung muss sich außerdem an internationale Verpflichtungen, wie die europäische Menschenrechtskonvention (§ 10 Aussagefreiheit und § 11 Versammlungsfreiheit) und an die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (§ 19 Aussagefreiheit und § 20 Versammlungsfreiheit) halten.

 

Außenbeauftragte der EU, Catherine Ashton: Wir verurteilen die Polizeigewalt in der Türkei. Wir sind zu tiefst besorgt über die Gewalt in Istanbul und den anderen Teilen der Türkei.

 

Nationaler Juristenverband (NLG): Wir rufen die türkische Regierung auf, mit der Polizeigewalt gegen die Protestierenden aufzuhören und wegen der Gewalt, den toten, verletzten und für die Gerechtigkeit gegenüber den verhafteten gegen die verantwortlichen Polizisten vorzugehen, Die NLG verurteilt die illegitime, äußerst brutale Gewalt gegen die Protestierenden in der Türkei. Sie ruft die türkische Regierung auf, mit der Polizeigewalt aufzuhören Verfahren gegen die Verantwortlichen der äußersten Polizeigewalt zu eröffnen. Wir fordern Gerechtigkeit für die Zivilisten, die durch Polizeigewalt gestorben sind, verletzt wurden und inhaftiert wurden. Die Verantwortlichen müssen zu Rechenschaft gezogen werden.

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